Von Sevilla nach Gibraltar sind es knapp 200 Kilometer. Die Strecke sollte in gut 2,5 Stunden zu bewältigen sein. Also sind wir nach dem Frühstück, das eher ein Spätstück war, in Richtung Süden aufgebrochen, um uns dieses kleine Stückchen England anzusehen, das sich irgendwie auf eine Landzunge in Spanien verirrt hat.
Die Fahrt über die spanische Autobahn verlief unspektakulär. 7,30 € Maut waren für eine Strecke fällig und so näherten wir uns am frühen Nachmittag der spanisch-englischen Grenze. Ab diesem Zeitpunkt ging es nur noch im Schneckentempo voran. Auf der Zufahrtsstrasse zur Grenze hatte sich ein dicker Stau gebildet und so konnten wir den Felsen von Gibraltar lange Zeit schon optisch genießen bevor ihn dann später auch aus der Nähe sehen konnten.
Wir haben unser Auto auf einem der großen Parkplätze in der Nähe der Grenze abgestellt. Gibraltar ist nicht so groß, dass man nicht alles fußläufig erreichen könnte. So mussten wir auch nicht im Kleingedruckten des Mietwagenvertrages nachschauen, ob die Fahrt über eine Landesgrenze überhaupt enthalten wäre.
Zu Fuß ging es dann in Richtung Grenzkontrolle. Sehr spannend war die Möglichkeit der automatischen Abfertigung. Neben dem klassischen Eingang an dem ein Mitarbeiter der Grenzpolizei saß, gab es Personenschleusen, die nur mit dem Ausweis zu bedienen sein sollten. Da ich mich vor ein paar Jahren für das „Deluxe“-Modell des Personalausweises entschieden hatte, der meine biometrischen Daten auch in elektronischer Form gespeichert hatte, war jetzt sein großer Moment gekommen.
Die Anleitung an der Schleuse war nicht wirklich selbsterklärend, aber die Anzahl der verschiedenen Möglichkeiten, einen Ausweis vor einen Scanner zu halten, ist ja zum Glück begrenzt. Trotzdem habe ich einige Zeit vor dieser Schleuse gestanden und munter mit meinem Ausweis rumgefummelt. Plötzlich sprang die Kamera an, scannte mich kurz und gab dann grünes Licht für die Schleuse. Ob das Gerät wirklich funktioniert und mich erkannt hat oder einfach nur genervt aufgegeben hat, kann ich nicht mit Sicherheit sagen 😉
Dann noch kurz bei der britischen Einreise den Personalausweis hochgehalten und schon haben wir englischen Boden betreten. Unser erster Anlaufpunkt war dann tatsächlich keine der örtlichen Sehenswürdigkeiten, sondern ein etwas unscheinbarer Platz vor dem Flughafengebäude. Bereits aus Spanien konnten wir sehen, dass es hier etwas für unser Hobby (Pokémon Go) gab, das man nur an den südlichsten Zipfeln Europas findet, da es eigentlich auf Afrika beschränkt sein sollte. Ein sog. Tropius war dort aufgetaucht und wartete darauf, von uns gefangen zu werden.
Kurz ein paar Pokébälle geworfen und wir beide konnten unsere ersten eigenhändig gefangenen Tropius verbuchen. Zu Fuß ging es dann quer über die Lande-/Startbahn in Richtung Stadtmitte. Ja, richtig gelesen! Die räumliche Enge in Gibraltar führt dazu, dass der Flughafen genau zwischen der Grenze und der Stadt liegt. Also verläuft auch die Hauptverkehrsstrasse direkt über die Lande-/Startbahn. Wenn ein Flieger kommt und abfliegen möchte, gehen an beiden Seiten kleine Schranken runter und die Fußgängerampel springt auf Rot. Ein Tribut an die gestiegenen Sicherheitsanforderungen der heutigen Zeit ist ein etwas lustlos über die Straße gezogenes Nagelband, das sich aber mit einer halbwegs geschickten Lenkbewegung umfahren ließe.
Dieses Modell der Doppelnutzung der Start-/Landebahn könnte ich mir bei einem Provinzflughafen, der zwei Propellermaschinen in der Woche abfertigt, gut vorstellen. Aber hier landet British Airways, Easy Jet & Co. Sehr regelmäßig gehen die Schranken runter, die Fußgängerampel springt auf Rot und ein kleines Kehrfahrzeug mit hektisch blinkenden Warnlichtern reinigt den Bereich der Straße und des Fußgängerüberwegs. Eine wirklich spannende Einrichtung!
In der Stadt angekommen ist uns die enorme Dichte an Geschäften aufgefallen. Gibraltar ist auch für den Endkunden ein Steuerparadies und die Preise sollen deutlich unter den Preisen in Spanien liegen. Wir haben den Test nicht gemacht, aber insbesondere Alkohol und Tabak sollen so gesehen Schnäppchen sein.
Unser Ziel war aber nicht der zollfreie Einkauf, sondern die Station der Seilbahn, die uns auf den Felsen von Gibraltar befördern sollte. Einfach nur den Klotz von unten anschauen ist schon beeindruckend, aber da wir dort waren, wollten wir auch rauf. Auf dem Weg dahin sind wir über ein britisches Paar gestolpert, das einen Pokémonkampf begonnen hatte und dann bemerkte, dass es doch eine Nummer zu groß war für zwei Personen. Retter in der Not spielen zu dürfen fühlt sich gut an 🙂
Nachdem das Pokémon k.o. war und wir noch etwas mit den beiden gequatscht hatten, ging es für uns weiter zu Seilbahn, die von einer Firma aus der Schweiz errichtet worden war. Hier war nun leider etwas Schlangestehen angesagt, da wir keine Tickets im Voraus reserviert hatten. Aber die Zeit ging relativ schnell rum und schon gondelten wir in einer Kabine hinauf zum über 400 Meter hohen Gipfel.
Während der sechsminütigen Fahrt hat man einen sehr schönen Blick über die Stadt, den Hafen inkl. des Yachthafens, das Rollfeld des Flughafens und in Richtung Spanien. Oben angekommen, begrüßte uns eine der lebenden Sehenswürdigkeiten dieses Felsens bereits nach wenigen Metern. Eine Kolonie Berberaffen lebt hier oben und hat sich mit den Touristen arrangiert. Dies geht so weit, dass bereits in der Talstation vor den possierlichen Tierchen gewarnt wird. Wer es z.B. wagt, mit einer Plastiktüte zu rascheln, signalisiert in ihren Augen „Nahrung!“ und hat sehr schnell, sehr viele relativ aufdringliche bepelzte Freunde um sich herum. Die Damen und Herren belassen es aber nicht bei einem bettelnden Blick. Folgt dem Rascheln keine Nahrungsmittelausgabe, muss man eben schon mal selbst nachschauen, ob nicht doch etwas zu holen wäre. Das heißt Taschen und Tüten sind nicht vor Affenfingern sicher und gerne hüpft man mit der Beute davon, um seinen Schatz in Ruhe zu begutachten.
Wir haben uns an die Warnungen gehalten und hatten somit auch keine Probleme und konnten in aller Ruhe die Touristen beobachten, die meinten sich etwas weiter vorwagen zu müssen.
Darunter war ein Tourist, der den Affen Wasser in seiner hohlen Hand angeboten hat. Ich hätte mich es im Leben nicht getraut, aber es war sehr süß anzusehen, wie die Affen sehr vorsichtig das Wasser aus seiner Hand getrunken haben. Sehr schnell haben sie aber realisiert, dass das Wasser nicht in der Hand entsteht, sondern aus der großen Plastikflasche kam. Ab sofort musste dann aus der Flasche getrunken werden – ein Bild für die Götter!
Der Felsen von Gibraltar läuft oben zu einem Grat zusammen, auf dem man sich von Norden nach Süden bewegen kann. Etwas südlich der Bergstation der Seilbahn befindet sich seit März 2018 der sogenannte Skywalk. Eine gläserne Aussichtsplattform, die einen besondern Blick auf den Felsen und die Tiefe sowie ein besonderes Gefühl in den Knien verspricht. Eingeweiht wurde der Skywalk passenderweise von Mark Hamill, der in Star Wars Luke Skywalker spielt.
Mit einer der letzten Seilbahnen sind wir vom Felsen wieder in die Stadt gefahren. Trotz der relativ späten Uhrzeit (19:20 Uhr) hatte sich vor der Bergstation schon eine kleine Schlange gebildet, so dass wir wieder anstehen mussten. Als wir etwas verträumt in der Reihe standen, griff einer der Affen durch ein Fenster und musste mal ausprobieren, wie es sich anfühlt, Benjamin in die Schulter zu kneifen. Zumindest Benjamin war danach wieder hellwach!
In der Stadt angekommen, haben wir uns vor der Heimfahrt noch einen kleinen Snack in einem Restaurant gegönnt. Hierbei kamen wir uns sehr europäisch vor. Wir saßen als Deutsche in einem italienischen Restaurant in einem Stückchen England, dass eigentlich zu Spanien gehören sollte. Französischer Rotwein hätte da noch gut gepasst, aber den gab die Karte des Restaurants nicht her 😉
Auf dem Rückweg zu unserem Parkplatz auf der spanischen Seite mussten wir am Rollfeld wieder kurz anhalten, da zwei Maschinen starten wollten. Eine kleinere Privatmaschine und eine 737 von Easy Jet. Am Auto angekommen tauchten vor uns noch zwei Tropius-Pokémon auf und rundeten einen sehr gelungenen Tag ab.
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