Der erste Blick nach dem Wachwerden ging heute morgen gleich aus dem Fenster in Richtung des Vulkans. Würde heute das Wetter mitspielen und die Wolke von gestern hat die Spitze wieder freigegeben? Es war einfach perfekt! Kleine Schäfchenwolken und ansonsten blauer Himmel soweit das Auge reichte. Selbst die Temperatur hatte sich im Vergleich zu gestern um 1-2 Grad gesteigert, so dass einer Höhenwanderung zum Krater nichts mehr im Wege stand.
Nach dem Frühstück sind wir aufgebrochen und der erst Teil des Weges war identisch mit der Wanderung an der Ostküste von gestern. Schnell ließen wir Vila Nova unter uns, bogen Richtung Osten ab und durchquerten abermals die verlassene Siedlung, die bei strahlendem Sonnenschein ihre Trostlosigkeit zumindest teilweise verloren hatte.
Statt wie am Vortag ungefähr auf 200 Höhenmetern zu bleiben, sollte uns unser Weg heute ja bis an den Kraterrand führen. Somit lagen weitere 300 Höhenmeter vor uns. Zum Glück ging der Weg nur mit einer moderaten Steigung bergauf. Hier oben befanden sich keine Häuser mehr. Nur ab und zu gab es einen kleinen Unterstand für die Kühe, die hier ohne Umzäunung herumlaufen und uns sehr interessiert hinterhergeschaut haben.
Wir hatten in den Reiseführern schon viel über die Schönheit des Kraters von Corvo gelesen, aber als wir nach zwei Stunden Aufstieg um eine kleine Kurve bogen und wir einen eigenen Blick werfen konnten, waren wir darauf trotzdem nicht vorbereitet. Was für ein Anblick! Ein riesiger, grüner Krater über dessen Ränder Wolken schwappten und sich kurz drauf auflösten. Ein See in der Mitte mit weiteren kleinen Vulkankegeln, die wie Inseln aus dem Wasser ragten.
Auch wenn es ein Panoramafoto ist, so gibt es doch den Eindruck der Landschaft nur zu einem kleinen Teil wider. Atemberaubend schön! So ein Anblick brennt sich im positivsten Sinn auf die Netzhaut. Neben dem Anblick hat mich insbesondere die Stille fasziniert. Es sangen ein paar Vögel, der Wind rauschte ganz leise und ansonsten war nichts zu hören.Wären die Vögel nicht gewesen, hätte ich meinen können, jemand hielte mir die Ohren zu.
Wenn es schon vom Kraterrand so beeindruckend aussah, wie musste es wohl erst wirken, wenn man im Kraterinneren stand? Unsere vom Aufstieg müden Beine zwickten etwas, als wir zum Abstieg ansetzten, waren aber in kürzester Zeit wieder im Trott drin und haben uns bis an das Ufer des Sees getragen. Die Wegstrecke war nicht ganz einfach, da der weiche Boden durch die Hufe der Kühe umgepflügt worden ist, als hätten tausende von Wildschweinen hier eine wilde Garten-Verwüstungs-Party gefeiert.
Am Seeufer war dann Rast angesagt. Umschlossen von einem Rund aus hohen Wänden, die in allen Grünschattierungen leuchteten, tranken und aßen wir. Nicht nur aufgrund des bevorstehenden Wiederaufstiegs zum Kraterrand, konnten wir uns kaum aufraffen loszugehen. Es war auch diese unglaublich schöne Umgebung, die uns an das Seeufer fesselte. Diese Wanderung möchte ich auf einer der nächsten Azorenreisen unbedingt wiederholen!
Der Rückweg verlief relativ unspektakulär. Wir trotteten den Weg langsam herunter, beide noch voller Eindrücke aus dem Krater. Wer mich ab jetzt noch einmal fragt, was er sich auf den Azoren unbedingt ansehen sollte, dem wird zu einem Abstecher nach Corvo geraten, um sich diesen Anblick nicht entgehen zu lassen!
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