In einem der Reiseführer die wir in den Jahren so verschlissen haben, wurde ein Flugkapitän zitiert, der nach der Landung auf einer der Inseln gesagt haben soll: „Herzlich willkommen auf den Azoren! Bitte stellen Sie Ihre Uhren um 40 Jahre zurück“. An dieses vermeintliche Zitat musste ich heute morgen denken, als wir beim Frühstück im Hotel saßen. Insgesamt waren wir sieben Leute. Ein älteres portugiesisches Ehepaar, zwei schwule Paare und ein Asiate in einem Minirock (er hatte wirklich die Beine dafür!). Und so etwas soll es vor 40 Jahren gegeben haben? Mami, Papi, Ihr habt vergessen, mir etwas zu erzählen 😉
Heute stand aber nicht der Mini-berockte Asiate im Mittelpunkt, sondern unsere erste Wanderung. Da es nur zwei längere Wanderwege auf Corvo gibt und der Krater heute von einer Wolke verschluckt wurde, stand schon früh fest, dass wir entlang der Ostküste wandern würden. Mit 3,5 Stunden in der einfachen Kategorie war der Ausflug für den Anfang genau richtig portioniert. Leider besserte sich das Wetter nicht und die Wolken sanken im Laufe der Tour sogar noch etwas tiefer.
Jetzt wo wir die Insel schon ein wenig kennen, kommt es uns echt seltsam vor, dass wir im Januar versucht hatten, einen Mietwagen auf dieser Insel zu reservieren. Hier geht alles zu Fuß und man kann direkt vom Hotel zur Wanderung starten. So ging es durch den Ort hindurch auf die einzige Straße, die hinausführt und sich in Serpentinen die Wand des Vulkans hochwindet. Von hier oben, auf ungefähr einem 1/3 der Höhe hat man einen tollen Blick auf den gesamten Ort Vila Nova bzw. Vila do Corvo.
Der Weg führte uns vorbei an vielen Feldern, die meist landwirtschaftlich genutzt wurden. Je höher wir kamen, um so mehr Ruinen alter Häuser standen links und rechts des Weges. Hier oben musste es mal eine Ansiedlung gegeben haben, deren Bewohner in die Stadt gezogen sind oder die Insel verlassen haben. Außer in der Landwirtschaft hat die Insel seinen Bewohnern auch nur wenig Arbeitsmöglichkeiten zu bieten.
Eine Industrie, die glücklicherweise seit vielen Jahren ihren Betrieb eingestellt hat, ist der Walfang. Da die Azoren für die Wale ein beliebter Rastplatz auf ihrem Weg durch den Atlantik ist, hat man hier die Gelegenheit, wirklich viele verschiedene Walarten zu sehen. Früher dienten diese gemauerte Ausgucke an den Küsten dazu, die Boote mit den Harpunen loszuschicken, sobald sich einer dieser majestätischen Meeressäuger zeigte. Heute verwittern die Ausgucke langsam oder werden auf den größeren Inseln zum Dirigieren der Walewatching-Touren genutzt.
Hier oben, ca. 250-300 Meter den Hang hinauf bietet sich für uns der altbekannte, aber immer wieder schöne Anblick von hunderten Hortensien. Fast alle Felder sind mit den großen grünen Büschen mit ihren dicken blauen Blütenköpfen eingefasst. Sowohl die Blätter als auch die Blütenstände erreichen hier eine Größe wie wir sie in Nordeuropa kaum kennen. Es ist spannend zu sehen, wie sehr sich der Fortschritt der Blüte auf den unterschiedlichen Höhenstufen unterscheidet. Unten sind sie schon fast verblüht und weiter oben hat die Blüte noch nicht einmal angefangen.
Hortensien waren es dann auch, die uns den Weg versperrten als wir nach der offiziellen Wanderung noch etwas an der Küste entlaufen wollten. Da war einfach kein Durchkommen mehr, ohne durch das Wasser von den feuchten Blättern langsam aber sicher durchnässt zu werden. Wir haben kehrt gemacht und sind den gleichen Weg wieder zurückgewandert. An diesen armen Schweinen konnten wir aber nicht vorbeigehen, ohne ihnen ein paar Handvoll Gräser und Klee in ihren verdreckten Stall zu werfen.
Auf dem Rückweg sind wir dann wieder an einem Gebäude vorbeigekommen, dem wir beim Hinweg gar keine Aufmerksamkeit gewidmet hatten. Als wir versuchten das Schild von der Strasse aus zu entziffern, merkten wir erst, dass wir vor dem Kraftwerk standen, das die Insel mit Strom versorgt. „Central Termoeléctrica do Corvo“ deutet darauf hin, dass man es sich hier zunutze macht, dass man auf einem Vulkan sitzt. Dieser ist zwar seit vielen Jahrtausenden nicht mehr aktiv, genug Wärme um Wasser in Dampf zu verwandeln und damit Turbinen anzutreiben, hat er wohl immer noch.
Wir haben den Abend dann im gleichen Restaurant wie gestern ausklingen lassen. In der Küche ließen sich tatsächlich noch zwei Portionen vegetarische Feijoada auftreiben, so dass wir uns ums Sattwerden keine Gedanken machen mussten.
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